Der musikalischen Harmonik und Exotik Gauguins steht das auflodernde Feuer des menschlichen Schicksals gegenüber, dem wir im Werk von van Gogh begegnen. „Mancher Mensch hat ein großes Feuer in seiner Seele“, schrieb van Gogh 1879 an seinen Bruder Theo. Dieses Feuer selbstquälerischer Besessenheit entwickelte sich hier in einer einzigartigen Leistung zwischen Angst und Hoffnung. Als van Gogh 1888 nach Arles in die Provence zog, wohin ihm Gauguin für einige Monate folgte, erfaßten ihn bald Nervenkrise, Zusammenbruch und seelische Not. Der Wille, die Eindrücke der Natur und der hier lebenden Menschen mit der eigenen inneren Anteilnahme zu verschmelzen, führte van Gogh zu leidenschaftlichen, pastos gemalten Bildern mit aufglühenden Landschaften, Köpfen, Stilleben und Selbstbildnissen. 

Vincent van Gogh, 1853-1890
Sternenhimmel, 1889
Öl auf Leinwand, 73 x 92 cm
New York, Museum of Modern Art 

Die Farbe quillt in glutvollen Strömen über die Bildfläche und wird durch starke Konturen gedämmt. Gerade in den Landschaften, die in der Hitze der Tages oder in dunkler Nacht vor Ort entstanden, suchte der Künstler den Ausdruck: formal in der kraftvollen, spontanen Handschrift, inhaltlich in der Konzentration auf Erlebnisse vor der Allmacht der Natur. Jedes Bild wird zu einem Existenzraum.

Unter nächtlich gestirntem Himmel liegt der Ort Saint-Remy, wo van Gogh 1889 in die Heilanstalt eingeliefert wurde. Den kreisenden Bewegungsströmen der Gestirne mit der glutvollen Mondscheibe stellt sich die breitgelagerte Landschaft mit den Häusern vor den Bergen entgegen, die den Gestirnen Halt gebieten. Dem Kirchturm im Mittelgrund entspricht die aufzüngelnde Zypresse, beides Symbole des Glaubens und des Todes.

Der vorstehende Artikel ist ein Beitrag aus dem Buch

Die Malerei des 20.Jahrhunderts“

von Gottlieb Leinz, das auch die hier gezeigten Bilder beinhaltet.

In diesem digitalen Werk begegnen Ihnen die Väter der Moderne von Gauguin bis Munch ebenso wie die fauvistischen Künstler um Matisse in Paris. Sie erleben den Werdegang der Künstlergemeinschaften „Bücke“ und „Blaue Reiter“ und den unabhängigen Expressionisten um Kokoschka, Schiele und Corinth sowie mit Picassos den Beginn des Kubismus, die zeitgenössische Malerei, den Dadaismus, Surrealismus, Konstruktivismus, Dadaismus, Pop Art, Fotorealismus, die Kunst von Joseph Beuys und die Malerei der Neuen Wilden.

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